Grundner & Lemisch / 1900

Im Mai 1896 schrieb eine österreichische Zeitung: „Zwei Mechaniker unserer kärntnerischen Hauptstadt haben zusammen ein Fahrrad erfunden, dessen Material vorherrschend Bambusrohr ist. Die neue Erfindung wurde vom k.k. Handelsministerium patentiert und das Bambusrad wird, wenn es sich bewährt, dem Stahlrade Conkurrenz machen oder dasselbe gar überflügeln.“

Im April 1897 berichtet eine andere Zeitung: „Als ein höchst erfreulicher Aufschwung des heimischen Gewerbefleißes und Unternehmungsgeistes ist es zu bezeichnen, das die k.k. priv. Bambus-Fahrradfabrik Grundner & lemisch in Ferlach und beziehungsweise in Klagenfurt mit den von ihr erzeugten Bambusrädern patentierten Systems große Erfolge erzielt. So ist schon eine große Zahl von Bambus-Fahrrädern in Wien, Graz, Marburg, Laibach, Triest, Pula, Agram ja auch in Paris abgesetzt worden und die Fabrik ist im Besitze von zahlreichen Anerkennungsschreiben seitens der Abnehmer, welche das Bambusrad sehr günstig beurtheilen. Es wird besonders dessen Widerstandsfähigkeit im Gegensatze zum Stahlrade hervorgehoben, in dem auch bei sehr heftigen Zusammenstößen das Bambusrad unverletzt blieb. Ein Beleg für die solide Bauarbeit und Dauerhaftigkeit des Rades bietet weiters der Umstand, dass vor kurzem von Klagenfurt aus eine Tour nach Triest und zurück mit dem Bambusrade gemacht wurde und dass das Rad nicht die geringste Abnützung oder Beschädigung zeigte. Auch bei Rennen hat sich das Bambusrad schon wiederholt als ausgezeichnetes „Sport“-Rad bewährt.
Während dieses jüngste kärntnerische Industrieproduct die auswärtigen Plätze schon erfolgreich erobert hat, sucht der kleinliche Concurrenzgeist hier im Lande und theilweise auch in der Landeshauptstadt nach Mitteln, um das Bambusrad in der Öffentlichkeit herabzusetzen.
So wird uns berichtet, dass ein jüdische Agent (sic)  ein jedenfalls absichtlich zu diesem Zwecke theilweise demoliertes Bambusrad herumgezeigt, um das Publicum vom Kaufe der Bambusräder abzuschrecken. Es ist aber nicht zu zweifeln, dass solche Intriguen sehr bald ihren Zweck verfehlen und dass die Vorzüge des Bambusrades auch hier in Kärnten Anerkennung finden werden. Die Firma Grundner & Lemisch leistet übrigens für die von ihr erzeugten Bambusräder die ganz gleiche Garantie wie die Stahlradfabriken.“

Das polytechnische Journal schrieb 1898:Das Bambusrohrfahrrad von Grundner und Lemisch in Klagenfurt ist leichter und widerstandsfähiger als die aus Stahlrohre gefertigten. Ebenso werden die durch schlechte Strassen entstehenden Stösse durch die Elasticität der Bambusrohre nahezu wirkungslos. Die Rohre werden dadurch verbunden, dass sie in Stahlhülsen eingeschraubt und nachher verkittet werden. Um den Witterungseinflüssen zu widerstehen, ist der Rahmen mit glashartem Email überzogen.“

Bambusräder gabs schon ein paar Jahre, bevor sie auch in Österreich produziert wurden. Schon 1894 wurden bei der Londoner „Stanley Show”, der jährlich wichtigsten Messe für Fahrradneuheiten erstmals Bambusräder der „Bamboo Cycle Company”  vorgestellt.

1896 (eigentlich zu Weihnachten 1895, rechtzeitig für die 1896er Saison) gings dann in Österreich los – die beiden Herren Karl Bräuer und Franz Grundner erhielten das Privileg Fahrräder aus Bambusrohren herzustellen, im gleichen Jahr erwarb dann Otto Lemisch, der schon ein Jahr zuvor mit Grundner in Oberferlach die Fahrraderzeugung “Grundner & Lemisch” gegründet hatte, die Anteile Karl Bräuers. Produziert wurden bis 1905 Herrenräder, Damenräder und Tandems, experimentiert wurde auch mit Draisinen und Wasser-Fahrrädern. Im Vergleich zu anderen österreichischen Rädern waren die Bambusräder von Grundner & Lemisch aufgrund des Materials und der Lackierung (Bambusräder wurden nur klar emailiert) etwas günstiger.

Die ersten Patentzeichnungen zeigen noch ein Fahrrad mit Bambusrahmen, Bambuslenker und Bambusfelgen. Ob Felgen und Lenker wirklich jemals aus Bambusrohren gefertigt wurden ist nicht bekannt, historische Fahrradmagazine und die überlebenden Grundner & Lemisch Bambusräder sind auf jeden Fall nicht damit ausgestattet.

Franz Grundner, ein gebürtiger Steirer, war ein begnadeter Verkäufer. Wollte jemand in Oberkärnten ein Bambusfahrrad kaufen, fuhr Grundner persönlich mit dem Rad zum Verkaufsgespräch ins Mölltal. In Wien wurden Radrennfahrer mit den Bambusrädern ausgestattet, um die Belastbarkeit und Wettbewerbsfähigkeit zu beweisen. „Die Bambusradler“ – ein Radfahrerclub in Wien wurde gegründet und nahm an so manchen Rennen teil. Dabei gab es immer wieder Reibereien, da andere Clubs die Bambusradler beschuldigten ein reiner Werbeclub zu sein und Rennfahrer dafür extra einzukaufen (was im Amateur-Radfahrsport schwerstens verpönnt war). Der Club wurde allerdings 1900 wieder aufgelöst.

Die österreichischen Bambusräder fanden großen  Absatz in ganz Europa. Davon zeugen auch die heute noch erhaltenen Fahrzeuge, vermutlich mehr als 20 Stück.